Therapie der Lese-Rechtschreibstörung bei Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung unter Einfluss von Methylphenidat – eine Einzelfallstudie

Heining, L.N. (2017)

Theoretischer Hintergrund: 20% der Kinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung (LRS) weisen gleichzeitig eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) auf. Bei Komorbidität beider Störungsbilder kommt es zu quantitativen und qualitativen Abweichungen der Symptomatik im Vergleich zur reinen LRS. Zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefiziten wird häufig das Standardpräparat Methylphenidat (MPH) verwendet, was gleichzeitig auch eine Verbesserung des Wort- und Pseudowortlesens bewirken kann. In der Literatur findet man Hinweise darauf, dass sich durch lautes Lesen mit einem „Lesepaten“ die Lesegeschwindigkeit von Wörtern verbessern lässt. Zur Behandlung der Rechtschreibstörung hat sich das Marburger Rechtschreibtraining (MRTr) bewährt, welches neben orthographischem Regelwissen auch Lösungsstrategien in Form von Algorithmen vermittelt. Aufgrund seiner Strukturiertheit könnte das MRTr auch für LRS-Patienten mit komorbider ADHS geeignet sein.
Fragestellungen: Verbessert regelmäßiges lautes Lesen die Leseleistung und verbessert ein regelgeleitetes Training zur Mitlautverdopplung (aus dem MRTr) die Rechtschreibleistung bei einem 9,8 Jahre alten Jungen mit LRS und ADHS unter Medikation von MPH in einem Therapiezeitraum von 7 Wochen?
Methode: Bei dem Probanden wurde neben einer LRS auch eine ADHS diagnostiziert, die mit Medikinet retard (Wirkstoff MPH) 25mg 1x/d behandelt wurde. Innerhalb eines Prä-Post- Testdesigns mit Baseline wurde anhand einer umfangreichen Testung zunächst nach einer 7- wöchigen Medikationsphase und dann nach einer weiteren 7-wöchigen Therapiephase unter Medikation die Lese-Rechtschreibleistung überprüft. Die Therapie wurde 2x wöchentlich durchgeführt und beinhaltete ein „Lautlese-Verfahren“ mit der Dokumentation in einem Lesetagebuch (10 min.) und ein regelgeleitetes Training zur Mitlautverdopplung aus dem MRTr (30 min.). Zur Effektivitätssteigerung der Therapie wurden zusätzlich ein Token-System zur Belohnung und Hausaufgaben zur Wiederholung eingesetzt.
Ergebnisse: Im Lesen kommt es zu einem kontinuierlichen Anstieg der Leseleistung über die Medikations- und Therapiephase hinweg, welcher nach 16 Wochen in allen Bereichen des Lesens signifikant wird. In diesem Bereich zeigt sich ein entscheidender Einfluss der Medikation. Im Schreiben kommt es zu einer kontinuierlichen Abnahme der Fehler über beide Phasen hinweg, die nach der Therapiephase und insbesondere nach 16 Wochen signifikant wird. In diesem Bereich hat die Therapie unter Medikation entscheidend Einfluss genommen. So kann der Patient in der Nachuntersuchung die geübte Rechtschreibregel zur Mitlautverdopplung sowohl bei geübten als auch bei ungeübten Wörtern signifikant häufiger anwenden.
Diskussion: Durch den Medikationseffekt kommt es zu signifikanten Verbesserungen der Leseleistung nach 16 Wochen. Ein zusätzlicher Therapieeffekt durch regelmäßiges lautes Lesen ist hier nicht nachweisbar. Im Bereich Schreiben zeigt der Patient einen Übungs- und Generalisierungseffekt bezüglich der geübten Rechtschreibregel nach der Therapie mit dem MRTr unter Medikation. Darüber hinaus kommt es zu signifikanten Verbesserungen der Rechtschreibleistung insgesamt, insbesondere nach 16 Wochen. Hier scheint eine Kombination aus Medikation und Therapie am effektivsten zu sein. Fraglich bleibt, inwieweit die Medikation zum Therapiezeitpunkt (nach 15.00 Uhr) noch wirksam war und ob eine intensivere Therapie des Lesens unter Medikation einen zusätzlichen Effekt gehabt hätte. Möglicherweise kann ein Therapietraining mit dem MRTr bei einem Patienten mit LRS und ADHS aufgrund der Strukturiertheit des Programms auch ohne Medikation effektiv sein.

Kann semantisch-lexikalische Therapie die Lebensqualität von Demenzerkrankten in Pflegeeinrichtungen verbessern?

Fischer, J. & Männicke, M. (2017)

Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, inwiefern logopädische Therapie im semantisch- lexikalischen Bereich die Lebensqualität von dementiellen Heimbewohnern beeinflusst. Zehn dementielle Probandenwurden zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt, welche jeweils zwei Interventionen erhielten. Die eine Intervention enthielt eine semantisch-lexikalische Therapie, wohingegen die andere lediglich eine kommunikationsanregende Behandlung ohne logopädischen Hintergrund. Es wurde ein Cross-Over Design mit drei Messzeitpunkten durchgeführt. Beide Gruppen wurden über einen Zeitraum von vier Wochen behandelt. Jeder Proband erhielt über zwei Wochen eine semantisch-lexikalische Therapie und über zwei Wochen kommunikationsanregende Behandlung. Jeder einzelne Teilnehmer erhielt dreimal wöchentlich Therapie im Direktkontakt mit der Logopädin. In der semantisch-lexikalischen Therapie wurden Arbeitsblätter mit den Probanden bearbeitet. In der kommunikationsanregenden Therapie wurde über ein Thema der Wahl des Patienten gesprochen. Zur Überprüfung der Lebensqualität wurde der Proband mit dem WHOQOL- BREF Fragebogen befragt, da ein Zusammenhang zwischen den semantisch-lexikalischen Fähigkeiten und der Höhe an Lebensqualität vermutet wird. Die Ergebnisse der inferenzstatistischen Auswertung zeigten, dass sich die Lebensqualität der Probanden innerhalb der kommunikationsanregenden Behandlung in den drei Variablen Umwelt, Soziale Beziehung und physische Gesundheit signifikant verbessert hat. In der semantisch- lexikalischen Therapie hat sich die Umwelt signifikant verbessert. Im Vergleich der Therapien war die kommunikationsanregende Behandlung in der Entwicklung der Probanden bei der Variable Soziale Beziehung signifikant besser. Daraus folgt, dass in dieser Studie ein geringer Zusammenhang zwischen semantisch-lexikalischer Therapie und einem Anstieg der Lebensqualität bewiesen werden konnte.

Unterschiedliche Kathetergrößen – gleiche Risiken? Vergleich der Vitalparameter beim endotrachealen Absaugen von Erwachsenen

Sengupta, A. (2017)

Ziel der Studie war es zu untersuchen, ob beim endotrachealen Absaugen von Erwachsenen die Risiken mit einem großen und kleinen Absaugkatheter gleich sind. Der Außendurchmesser des großen Katheters verlegt dabei < 70% des Innendurchmessers der Trachealkanüle, der kleine Katheter ≤ 50%. Insgesamt wurden 10 Patienten jeweils dreimal mit den beiden unterschiedlichen Kathetern endotracheal abgesaugt. Die Sauerstoffsättigung und die Herzfrequenz wurden unmittelbar vor und nach dem Absaugen, sowie eine und drei Minuten
danach erfasst. Bei jedem Absaugprozess wurde aufgezeichnet, ob das Endotrachealsekret blutig war und/oder eine Hustenreaktion des Patienten auftrat. Die Mediane der Differenzen von den einzelnen Messzeitpunkten wurden verglichen. Beim Absaugen mit großen Kathetern stieg die Herzfrequenz im Vergleich zu kleinen Kathetern unmittelbar nach dem Absaugen bis eine Minute danach signifikant an, wobei die Mediane der Herzfrequenz noch im Normbereich lagen. Bei der Sauerstoffsättigung konnten keine signifikanten Unterschiede beobachtet werden. Das Auftreten von Husten während des Absaugens und blutigem Sekret war gleich verteilt. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass beim endotrachealen Absaugen eines Erwachsenen die Wahl der Absaugkathetergröße keine klinisch bedeutsame Auswirkung auf die Veränderung der Vitalparameter und auf die Risiken des Patienten hat.

A Validation of the QbMini as an ADHD diagnostic instrument for preschool children

Hamadache, S. (2017)

Objective: Diagnosing attention-deficit hyperactive disorder (ADHD) at an early age is beneficial for patients’ (academic) outcome. Difficulties can arise because symptoms are hard to distinguish from normal playing behaviors and focusing and sustaining attention is usually no requirement of a preschooler. The present study carried forward earlier attempts to validate the QbMini, an objective measurement tool measuring ADHD symptoms in preschoolers. Method: QbMini performances of 5-year-old-children with ADHD were systematically compared with healthy controls and children suffering other developmental disorders (mostly developmental delay of speech and language). The test was validated against two parental ratings often used in clinical practice (Child Behavior Checklist and Fremdenbeurteilungsbogen für Vorschüler mit Aufmerksamkeitsdefizit). ROC analyses were performed to compare diagnostic accuracies of the instruments. Results: The QbMini can measure ADHD symptoms and discriminate between 5-year-old children with ADHD and healthy controls (area under the curve: .899). However, its classification of children as having either ADHD or another disorder was nearby chance levels and lower than those of the CBCL or the FBB-ADHS-IV. Still, the QbMini output variables correlated with the questionnaire scores (2.42 < r < 4.39), speaking for its internal and external validity. Conclusion: Already in preschool, ADHD is associated with measurable hyperactivity and attention deficits, which can be captured by the QbMini. However, at this age, other developmental disorders also trigger tendential hyperactivity, inattention and impulsivity, making the QbMini – unlike rating scales – this far unfit for differential diagnosis, despite being able to differentiate between disordered children and healthy controls.

Bonbon oder Medizinprodukt? - Einfluss von Halspastillen auf die Stimme von Berufssprechern

Bödefeld, J., Drechsler, M., & Lehmann, M. (2017)

Das Studienziel war ein Wirksamkeitsvergleich der klassischen isla®cassis-Pastillen mit dem weiterentwickelten Produkt isla®med hydro+ milde Kirsche (isla®med) und einem Placebopräparat. 45 Berufssprecher wurden zufällig drei gleichgroßen Gruppen und somit jeweils einem Präparat zugeteilt. Sie nahmen maximal 25 Halspastillen im Testzeitraum von 5 aufeinanderfolgenden Arbeitstagen. Es wurde subjektiv mit Hilfe von selbsterstellten Fragebögen, dem Stimmprofil für Berufssprecher und der RBH-Bewertungsskala (Rauigkeit, Behauchtheit, Heiserkeit), sowie objektiv mit dem Stimmanalyseprogramm PRAAT gemessen. Bei isla®cassis und isla®med zeigten sich in allen Messverfahren zwischen Vor- und Nachmessung sowohl geringe signifikante Verbesserungen als auch Verschlechterungen einiger Parameter. Dabei ergaben sich bei den subjektiven und objektiven Messverfahren geringe signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Der Vergleich der beiden isla® Produkte mit dem Placebopräparat ergab bei dem objektiven Messverfahren keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Die subjektiven Messungen wiesen geringe signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen auf, mit geringen Verbesserungen für isla®med und geringen Verschlechterungen für isla®cassis und Placebo. Die Gruppe isla®med würde im Vergleich zu den anderen Testgruppen das Produkt weiterhin verwenden. Die Ergebnisse zeigen, dass es keine aussagekräftigen Ergebnisse, sondern lediglich Tendenzen gibt. Objektiv lassen sich keine Unterschiede zwischen den Präparaten im Vergleich zum Placebo herstellen. Subjektiv erzielte isla®med den größten Effekt.

Hohe häusliche Übungsfrequenz mit einer Sprachtherapie-App - Multiple Einzelfallstudie mit Aphasiepatienten

Joosten, R. & Raven, A. (2017)

Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, inwieweit die häusliche Übungsfrequenz bei Aphasiepatienten durch Verwendung einer Sprachtherapie-App erhöht werden kann. Sechs Aphasiepatienten in der postakuten oder chronischen Phase wurden über einen Zeitraum von sechs Wochen störungsspezifisch behandelt. Jeder Proband erhielt einen wöchentlichen Direktkontakt mit einer Logopädin. Drei Probanden bekamen für ihre therapeutischen Hausaufgaben Zugang zu einer Sprachtherapie-App auf einem Tablet. Die drei Probanden in der Kontrollgruppe erhielten die Hausaufgaben klassisch in Papierform. Alle Probanden wurden angeleitet, so oft wie möglich zu üben. Der Einsatz einer Sprachtherapie-App führte bei den Aphasiepatienten zu einer höheren wöchentlichen Übungsfrequenz und einer höheren wöchentlichen Gesamtübungsdauer. Durchschnittlich trainierte jeder Proband 4,7 Einheiten pro Woche mit der App wohingegen in der Kontrollgruppe nur 3,2 Einheiten pro Woche geübt wurde. Zudem trainierten die Probanden mit der Sprachtherapie-App häufiger ohne Unterstützung von Angehörigen. Jedoch zeigten sich in dem sechswöchigen Therapieintervall keine signifikanten Unterschiede in der Auswirkung auf die getesteten sprachlichen Bereiche (Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben). Zusammenfassend erhöht der Einsatz einer Sprachtherapie-App die Motivation und damit die häusliche Übungsfrequenz im Rahmen therapeutischer Hausaufgaben. Zudem ermöglicht der App-Einsatz den Probanden eigenständiges Üben.

Der Zusammenhang zwischen visuell-verbalen Paarassoziationsfähigkeiten im Kindergartenalter und den späteren Lese- und Rechtschreibleistungen

Karbach, F. (2017)

Im Bereich der Prävention von Dyslexien ist eine verlässliche Früherkennung von Risikokindern essenziell. Fehleinschätzungen zeigen sich oftmals bei mehrsprachigen Kindern aufgrund sprachlicher Defizite. Das visuell-verbale Paarassoziationslernen (PAL) wird in aktuellen Studien als bedeutender Einflussfaktor auf die Lese- und Rechtschreibleistungen beschrieben. Auch bei Mehrsprachigkeit könnten die sprachunabhängigen Testungen eine faire Beurteilung bieten. Die aktuelle Studie untersucht den Zusammenhang zwischen dem visuell-verbalen PAL bei ein- und mehrsprachigen Kindergartenkindern und den späteren Lese- und Rechtschreibfähigkeiten. 2013 (T1) wurden 56 Kindergartenkinder zwischen 4;0 und 5;11 Jahren in den Bereichen Intelligenz, Frühes Schriftwissen und visuell-verbales PAL getestet. Die PAL-Aufgaben bestanden aus einer rezeptiven Laut-Symbol-Assoziation sowie einer produktiven Aufgabe, bei der serielle Symbolabfolgen vorgelesen bzw. geschrieben werden mussten. Drei Jahre später (T2) konnten 17 Grundschulkinder in den Bereichen Intelligenz, visuell-verbales PAL, Lesen und Schreiben nachuntersucht werden. Zur Identifizierung möglicher Prädiktoren wurden lineare Regressionsanalysen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass das Wortlesen (korr. R2 = .71), Pseudowortlesen (korr. R2 = .64) und Lesesinnverständnis (korr. R2 = .65) bereits im frühen Kindergartenalter durch die serielle PAL-Aufgabe zu T1 vorhergesagt werden kann; über den Einfluss von Intelligenz und Frühes Schriftwissen hinaus. Im Schulalter nimmt der Einfluss des PAL ab und die Intelligenz dient als Prädiktor der Leseleistungen. Das Wortschreiben kann nicht früh vorhergesagt werden, jedoch zeigt sich im Schulalter, dass die rezeptive PAL-Aufgabe als Prädiktor für das Wortschreiben dienen kann (korr. R2 = .21). Alle Ergebnisse sind unabhängig von Geschlecht und Mehrsprachigkeit. Die visuell-verbalen PAL-Aufgaben scheinen daher auch bei mehrsprachigen Kindern ein vielversprechendes Hilfsmittel in der Früherkennung und Prävention von Dyslexien zu sein.

Leseentwicklung von Kindern der 1.-4. Klasse - eine Eyetracking-Studie im Längsschnitt

Große Brinkhaus, K. (2017)

Die Entwicklung der Lesefähigkeit kann mit dem bildgebenden Verfahren der Blickbewegungsmessung detailliert untersucht werden. Dies wurde bisher in zahlreichen Studien an-hand von Blickbewegungen hauptsächlich für die englische Sprache beschrieben. Da sich die deutsche Sprache in ihrer orthografischen Transparenz von der englischen unterscheidet, sind Unterschiede zu erwarten. Aus diesem Grund geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, inwieweit sich die Blickbewegungen speziell für die deutsche Sprache im Laufe der Entwicklung verändern, welche Lesestrategien sich beobachten lassen und ob sich Wortlängen- und Wortfrequenzeffekte hier ebenfalls finden lassen. Dazu wurden von 150 Kindern (81 Jungen, durchschnittliches Alter 7;2 Jahre in der ersten Klasse) jeweils in der ersten zweiten und vierten Klasse die gängigsten Blickbewegungsparameter beim leisen Lesen von Sätzen im Längsschnitt gemessen. Neben den Gesamtmittel-werten werden auch Wortlängeneffekte und Wortfrequenzeffekte ausgewertet. Die Ergebnisse der Studie zeigen ein für das Deutsche typische einzelheitliche Vorgehen, welches mit steigender Leseerfahrung in ein ganzheitliches wechselt. Dies zeigt sich in sin-kenden Lesezeiten, weiter zur Mitte gerichteten Landepositionen und in sinkenden Fixations- und Refixationswahrscheinlichkeiten und -anzahlen. Des Weiteren zeigen sich Einflüsse des Wortmaterials auf die Blickbewegungen durch deutliche Wortlängeneffekte sowie einige Wortfrequenzeffekte. Insgesamt zeigen die Ergebnisse auch für das Deutsche einen Effizienzgewinn beim Lesen über die Klassenstufen. Speziell für die deutsche Sprache sprechen die Ergebnisse für das Vorliegen eines Schwerpunktwechsels der Lesestrategie. Dies weist darauf hin, dass sich die Ergebnisse von opaken Sprachen nicht vollständig auf transparente Sprachsysteme übertragen lassen.

Does grammatical gender in German influence eye movements of 3th and 4th grade children in word-picture matching?

Neitzel, I. (2017)

Introduction: Variable forms of grammatical gender systems exist across languages (Corbett, 1991). All nouns in these languages are divided into gender categories and the noun can be used as a point of reference for other (agreeing) words. In German, the gender category of a noun (female, male or neuter) cannot be deduced from semantic or phonological features of the noun itself in most cases. Consequently, during language acquisition, children have to categorize nouns mostly by the gender feature of agreeing words (e.g. article and adjective), so-called noun-external gender cues, such as ‘eine kleine Biene (‘a small bee’). The psycholinguistic function of gender for language comprehension has not been clarified in conclusion. However, it has been shown for several languages that gender information can have an effect of facilitation on lexical retrieval in adult speakers. For example, nouns can be recognized faster after the presentation of gender-agreeing priming words (gender-congruency-effect, see Heim, Friederici, Schiller, Rüschemeyer & Amunts, 2009; Schiller & Caramazza, 2003; Schriefers & Teruel, 2000). The reason for this effect might be the accelerated activation of parallel gender nodes as described in the model of language production (Levelt, Roelofs & Meyer, 1999) in contrast to different gender nodes.
Aim of this study: A possible influence of noun-external gender cues on eye movements of German-speaking 3rd and 4th grade school children was inspected in this study. We aimed to investigate a possible facilitation of lexical access by markings on indefinite article and adjective in auditory language comprehension as a marker of systematic usage of the grammatical gender system in German native speakers with completed language acquisition.
Method: Eye movements of 32 children (8 to 9 years old, attending 3th or 4th grade, monolingual German, age-appropriate language development) were recorded during a
word-picture matching task. Eye tracking recordings can be used as an effective tool to understand the processing of auditory stimulus files, as eye movements seem to reflect nearly immediately the mental leaps of participants. The so-called ‘visual world paradigm’, in which an auditory stimulus is presented to the participants during an eye movement recording, has been shown to be very sensitive to many language processes (Huettig, Rommers & Meyer, 2011). Two pictures of objects from equal or unequal gender paradigms (e.g. male-male vs. male-female) were presented to the children. Nominal phrases (article, adjective and noun, e.g.’ein kleiner Teller’ – ‘a small plate’) were presented as an auditory stimulus. Children were instructed to look at the target picture as fast as possible. Only in the experimental condition with unequal gender, it is possible to recognize the target already after the auditory presentation of the article or adjective. In the control condition (equal gender), children must wait for the presentation of the noun.
Results: Total fixation time on the target picture was significantly higher in the experimental condition (unequal gender) in comparison to the control condition directly after the presentation of the adjective and even before the noun was given.
Conclusion: Our results show that German-speaking school children notice grammatical gender in auditory language comprehension and indicate that eye tracking can be used as an effective way of investigating specific language processes. Therefore, this method should replenish existing diagnostic tools to evaluate receptive outcomes of grammar therapy especially in clinical contexts. ‘Hidden disabilities’ such as auditory comprehension deficits might be investigated more effectively using ‘visual world paradigms’. Our results show mental processing strategies of monolingual children with completed language acquisition in the field of grammatical gender. A comparable sensitivity of populations with difficulties in gender processing, especially participants with specific language impairment (SLI) or bilingual children acquiring German, should be further investigated. Our data might be used as comparative data for future studies.

Vorläuferfähigkeiten für den Lese-und Rechtschreiberwerb bei bilingualen Vorschulkindern

Nelleßen, W. & Nieslony, J. (2017)

Auf Grund der steigenden Zahlen von mehrsprachig aufwachsenden Kindern wird darüber dis- kutiert, ob Bilingualität Einfluss auf die im Vorschulalter erworbenen Vorläuferfähigkeiten zum Leseerwerb hat. Die vorliegende Studie untersuchte dazu 28 Vorschulkinder, die mit Deutsch als Zweitsprache (DaZ) aufwachsen und verglich ihre Leistungen in der phono- logischen Bewusstheit, im schnellen automatisierten Benennen, im frühen Schriftwissen, im visuell-verbalen Paarassoziationslernen sowie ihre grundlegenden Fähigkeiten in der Aufmerk- samkeit, dem Gedächtnis und der visuellen Wahrnehmung mit den Leistungen einsprachig auf- wachsender Kinder. Es zeigte sich, dass die einsprachig aufwachsenden Kinder signifikant bessere Leistungen im Erkennen von Reimen (p=.001), im Silben Lesen (p=.015), im visuell- verbalen Paarassoziationslernen (p≤.025), im Zahlen Nachsprechen (p=.002), in der visuellen Wahrnehmung (p≤.021) und der Impulskontrolle (p=.006) zeigten. In der geteilten Aufmerk- samkeit wiesen die Kinder mit DaZ eine signifikant höhere Anzahl an falschen Reaktionen (p=.024) und Auslassungen (p=.001) auf, während sie im Median der Reaktionszeit eine signi- fikant bessere Leistung zeigten (p=.001). Im Pseudowörter Nachsprechen konnten die Kinder mit DaZ mehr Wörter korrekt nachsprechen (p=.05). Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich Mehrsprachigkeit auf die verschiedenen Vorläuferfähigkeiten unterschiedlich auswirkt. Dabei steht zur Diskussion, welchen Einflussfaktor die Mehrsprachigkeit an sich auf die Er- gebnisse hat und welche Ergebnisse auf andere Faktoren (z.B. Literalität des Elternhauses) zurückzuführen sind.